Ruth- Cohn- Denk- Stein

122 cm x 100 cm x 120 cm

Buntsandsteinfindling aus Rheinland-Pfalz

 

 

 

"Ehrfurcht gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum. Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll, Inhumanes ist wertbedrohend."

Ruth Cohn, 2. Axiom der TZI (Themenzentrierten Interaktion) aus Miller, "Das ist ja wieder typisch" Beltz-Verlag 1995, S144

Im Rahmen der Erzieher-innenausbildung regte ich Studierende an, Ideen zu einem Denkmal für Ruth Cohn zu gestalten. Hierbei waren Silvia Fohrer und Rudolf Kaltenbach im Rahmen des Gedenktages am 27.1. 15 bei uns in der Ruth-Cohn-Schule zu Gast.

Es entstanden in der Klasse der Teilzeitausbildung TZ 2-14 Zeichnungen und aus Ton gefertigte Modelle. Diese bezogen sich hauptsächlich auf ihr Kommunikationsmodell der Themenzentrierten Interaktion TZI, die mit einem gleichseitigen Dreieck bzw. einer Pyramide im Kreis, im Globe symbolisiert ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Studierende

Die Teilnahme am Bildhauersymposium eröffnete mir die Gelegenheit, nocheinmal an die Umsetzung eines Gedenksteins für Ruth Cohn neu heranzugehen. Ich stellte in meinen Skizzen nun mehr die Frau als Person in den Vordergrund. Ein Mensch, der verletzbar ist, eine Frau in ihrer Weiblichkeit, die eine Vision hatte von einem friedlicheren Miteinander aller Menschen. Dieses Thema berührt mich persönlich. Ich lud interessierte Studierende ein, diesen Entstehungsprozess zu begleiten.



















Eine Studierende der Erzieherausbildung, Ute Herrmann, kam schon in den Ferien, um sich mit mir über den Entwurf auszutauschen und konnte sich sehr gut in meine Vorstellungen hineindenken. Gemeinsam suchten wir den Sandsteinfindling aus, an dem wir schon den angedeuteten Frauenrücken entdecken konnten. Mir gefiel die Diagonale der Lage des „Rückens“. Das versprach Dynamik in der Skulptur.

Zu Schuljahresbeginn lud ich die ganze Klasse mit ihrer Lehrerin Frau Turski ein. Die Studierenden skizzierten mit Kohle auf Papier den Stein und versuchten, die geplante Figur räumlich zu erfassen, einige hinterließen vorsichtige Spuren mit Eisen und Klöpfel.

Dr. Heidrun Gehrke

Mein Angebot, dass gemeinsam weitergearbeitet werden kann und noch genügend Raum für eigene Ideen da sei, wurde letztlich von fünf Studierenden genutzt, die weitere 1-3 Termine mitarbeiteten.

Ute Herrmann

Miriam Wagner

Michael Golla

Katharina Geißler

Kai Hodapp

Ute und Michael arbeiteten abwechselnd das Kommunikationsdreieck aus (S für eine Sache, ein Thema, W für das Wir, die Gruppe und I für das einzelne Individuum, alles im gleichseitigen Dreieck ausbalanciert) , Kai war eine wichtige Hilfe, mit seiner Kraft Raum zu schaffen zwischen einem Knie und einem Fuß, Katharina folgte meinen Linien der Haarsträhnen behutsam und Miriam traute sich an die Umsetzung ihrer Idee, dass eine Ranke an der Mauer als Sinnbild für immer wiederkehrendes Leben und Veränderung entsteht.

 

 


Bereichernd erlebte ich den Austausch mit den anderen Bildhauer-innen und die verschiedenen Ausdrucksformen am Stein.

Belebend waren die Besucher-innen am Platz. Interessiert und mit ganz eigenen Interpretationen brachten sie sich ein. Am Erfreulichsten waren die Kindergruppen. Stolz fegten die Kitakinder aus Berlin Französisch Buchholz mit Schutzbrille meine Skulptur vom Steinstaub frei.

Die Kinder aus dem SOS Kinderdorf aus Moabit wollten gar nicht mehr aufhören, am Stein mitzuhauen.

Wenngleich die Gestaltungsidee und Umsetzung letztlich in meiner Hand lagen, war es weit mehr als ein rein bildhauerischer Prozess. Hier wurde miteinander gearbeitet, philosophiert, gegenseitig respektiert.

Deshalb ist es ein integratives Projekt gewesen, mit diesem Stein fühlen sich viele verbunden.

 

 




Die Ausformung der Frauengestalt, die die Weltkugel zu halten versucht, bereitete mir Freude. Mit zunehmender Tiefe ging die Metamorphose des Steines voran. Ein großer Fußabdruck, seine Gestaltung war mir wichtig, denn Ruth Cohn hat große Spuren hinterlassen. Ein zerbrechlicher Körper zeigt ihre Verletzbarkeit, ihre Gefährdung. Ihr Gesicht habe ich gen Himmel gerichtet, da sie nicht bei sich allein blieb sondern eine Idee für alle Menschen entwickelte.

Die raue rissige Seite „die Mauer, Grenze…“ hält die Kugel auf zu rollen oder stellt die Grenze, die Balance her? Grenzen...wichtig? unvermeidbar? Spannend. Mit den Studierenden unterhalte ich mich über die aktuelle Flüchtlingspolitik und eigenen Gedanken und Gefühlen dazu. Auch meine Grenzen lote ich aus. Wieviel Mitwirken am Stein ist an nur einem Tag für die Studierenden möglich?

Eine Hand der Frau bricht die Mauer auf, reißt etwas ein. Die durch die Bohrungen am Stein entstandenen Vertiefungen verstärken den Eindruck einer Absperrung. Die Hand der Frau führt eine davon aus der Negativform in die Positivform. …aber allein wird sie es nicht schaffen.

Ein Kommunikationsmodell, das Dreieck glatt geschliffen und geebnet mit der Maschine, eben nur Theorie, nur Theorie?

TZI: ein Balanceakt auf dem Drahtseil menschlicher Begegnungen und gemeinsamer Themen.





27.09.2015 Einweihung der Skulpturenlinie bei Dr. Heidrun Gehrke

Text: Dr. Heidrun Gehrke 2015

Foto: 1,4-14,25-28 Dr. Heidrun Gehrke

20-22 Rudolf J. Kaltenbach